Finanzwesen? Warum

Wieso beschäftige ich mich so intensiv mit dem Finanzsektor und wieso will ich noch zusätzlich den Dia(B)log „banktank.org“ betreiben? Die Gründe sind die Relevanz, die Komplexität und die Herausforderungen des Sektors.

Relevanz

Das Finanzwesen ist zentral für das Wirtschaftssystem. Neben der Größe des Sektors, ausgedrückt in Indikatoren wie Anteil an der Wertschöpfung, etc., ist die funktionale Bedeutung spannend. Der Sektor ist die Sammel- und Allokationsstelle für das Kapital. Es werden Einlagen, Versicherungen, Fondsanteile etc., aus der Realwirtschaft eingesammelt und in Form von Krediten, Investitionen etc. nach verschiedenen Transformationen alloziert - es hat somit die Funktion eines "Schmiermittels der Realwirtschaft".

Komplexität

Da sich die Branche mit risikobehafteten Zahlungsströmen aus der Realwirtschaft beschäftigt, ist sie eine Metabranche. Eine Bank muss die Risiken und somit die tatsächlichen Begebenheiten ihrer Kreditnehmer und somit tendenziell der gesamten Realwirtschaft verstehen (ähnlich bei Versicherungen). Bei der Veranlagung müssen die Risiken von verschiedensten Industrien und Ländern verstanden werden. Für zusätzliche Komplexität sorgt der zeitlich verschobene Leistungsaustausch. Egal, ob eine Versicherung verspricht später einen Schaden oder eine Rente zu zahlen, eine Bank auf die spätere Rückzahlung eines Kredits hofft, immer erfolgt die Leistung eines Vertragspartners zu einem späteren Zeitpunkt. Diese zeitliche Verschiebung macht spannende Themen wie Informationsqualität, Vertrauen, Zukunftsprognosen besonders relevant.

Herausforderungen

Der Sektor leidet an einer Visionslosigkeit gekoppelt mit strukturellen Problemen, welche durch die Krise nochmals akzentuiert wurden.

Ehemalige wichtige Visionen (Zugang zu günstigen Krediten, sicheres Sparen, günstiger Zahlungsverkehr, Versicherungssschutz für Alle) von großen Teilen der Banken und Versicherungen sind nur noch zum Teil relevant, da die ursprünglichen Ziele längst erreicht sind. Welche neuen Visionen sind möglich?

Strukturelle Probleme sehe ich in der Mischung aus wenig nicht prozessgetriebener Innovation, Marktsättigung, Preis-Wettbewerb ohne echte (Produkt-)Differenzierung und dem hohen Regulierungsgrad (mit den resultierenden Markteintrittsbarrieren).

Aufgrund von Fehlberatung, Bonusschemata und den aus der Wettbewerbssituation resultierenden Provisionsblöcken hat die Wertschätzung für diese Branche sehr gelitten, obwohl elementare Kundenbedürfnisse bedient werden. Wie kann die Wertschätzung wieder hergestellt werden? Welche weiteren Bedürfnisse können bedient werden und welche Produkte ergeben sich daraus?

Versuch einer Perspektive …

Bei meinem Aufenthalt in der Mikrofinanzierungswelt in Indien, erfuhr ich hautnah wie existentiell ein vernünftiges Bank- und Versicherungssystem ist. Der Zugang zu Finanzierungs-, Spar- und Zahlungsmöglichkeiten und die Absicherung elementarer Risiken sind zentrale Bedürfnisse in einem liberalen Wirtschaftssystem. (Liberales System, weil ich nicht an bürokratische zentralisierte Systeme glaube). Die Gründe wieso die Wertschätzung vieler Menschen gering ist, obwohl zentrale Bedürfnisse erfüllt werden sind vielfältig. Dass gute Kunden- und Mitarbeiterbeziehungen der langfristige Erfolgsfaktor im Dienstleistungssektor sind, ist keine Neuigkeit sondern der Marktlogik inhärent. Customer-Life-Time Value Konzepte und Visionsstatements, die den Wert der Mitarbeiter und Kunden proklamieren gibt es schon lange. Genützt hat es in den meisten Fällen jedoch wenig, wenn die Wertschätzung der Kunden als Maßstab dient. Ziel dieser Plattform ist, mögliche Reiserouten offen zu diskutiertien. Die Ansatzpunkte sollen dem gesamten Spektrum Raum bieten. Von einer erneuerten Fundierung mancher Annahmen (z.B. ein komplexeres Menschenbild als der Home Oeconomicus) über Visonäres/Perspektivisches hin zu operativen Fragestellungen (neue Produkte/Vertriebswege/Steuerungsmechanismen,...).

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