Regulation

Direkte Kreditvergabe - Schutz vs. Freiheit?

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In Österreich findet gerade eine spannende regulatorische Diskussion[1] zur direkten Kreditfinanzierung von Unternehmen und NGOs statt. Das prominenteste Beispiel ist die Waldviertler Schuhwerkstätte[2]. Die FMA[3][4] (Finanzmarktaufsicht) wirft den Unternehmen verbotene, weil konzessionspflichtige, Bankgeschäfte vor und die Unternehmen/NGOs wehren sich. Ziele des folgenden Texts ist die Kontextualisierung und die differenzierte Darstellung der Standpunkte.

Klassisch gibt es vier Quellen der Kreditfinanzierung:

  1. Bankkredite und deren Derivate wie z.B. Leasing. Diese unterliegen dem Bankwesengesetz (BWG).
  2. Anleihen entsprechen am ehesten der direkten Kreditfinanzierung, sind jedoch aufgrund der hohen Kosten erst ab ca. 40 Mio. EUR Finanzierungsvolumen relevant. Die hohen Kosten entstehen durch die Prospektpflicht (Transparenz!). Hier gilt das Kapitalmarktgesetzes (KMG). Die Ausnahmeliste ist lang, wesentlich sind jedoch drei Kriterien: Volumina bis 100.000 EUR oder max. 150 Anleger oder qualifizierte Investoren die mind. 50.000 EUR einlegen.
  3. Lieferantenfinanzierung sind alle offenen Verbindlichkeiten des Unternehmens.
  4. Kundenfinanzierung sind alle Vorauszahlungen und Anzahlungen[5]. Kunden- und Lieferantenfinanzierung sind Kaufverträge, die nicht vom BWG betroffen sind.
  5. Mitarbeiter. Nicht klassisch, jedoch ist es auch eine kurzfristige Vorausfinanzierung, wenn das Gehalt am Monatsende bezahlt wird.

Die verkürzte Aufstellung (keine Mischformen mit Eigenkapitalfinanzierung etc.) zeigt, dass sich Unternehmen im unterschiedlichen Ausmaß durch verschiedene Stakeholder finanzieren. Der Unterschied ist nun, dass diese klassischen und “erlaubten“ Quellen deutlich erweitert wurden. Im bekanntesten Fall erhielten Kunden über Warengutscheine fixe Verzinsungen für Mittel die über 10 Jahre bereitgestellt wurden. Also eigentlich ein Bankkredit gemischt mit Kundenfinanzierung. Im zweiten Fall wurde ein Sparverein gegründet der dann in das Unternehmen investierte - eindeutig Kredit.

Geht es um den Schutz der Banken vor Konkurrenz?, den Schutz des Konsumenten? oder des Finanzplatzes? Was ist wichtiger, die Schutzfunktion oder die Freiheit der Bürger (freie Anlagemöglichkeit) und die der Unternehmen (freie Finanzierungsmöglichkeit)?

Was spricht für die Position des Gesetzes und der FMA als Ausführungsorgan?

  • Spareinlagen sind durch die Einlagensicherung bis zu € 100.000 pro Einleger gesichert. Dieser Begriff gehört daher geschützt. Es sollte jedem Konsumenten klar sein, wann er ins Risiko geht und wann er sich im geschützten Bereich befindet. Diesem Problem könnte durch eine exklusive Verwendung des Begriffs Spareinlagen durch die Banken leicht aus der Welt geschaffen werden.
  • Das zweite Argument scheint mir wichtiger. Ich kenne die wirtschaftliche Lage der genannten Unternehmen nicht, aber unterstelle Ihnen dass Sie gesund sind. Eine gesetzliche Änderung sollte aber auch dann vernünftig sein, wenn es dem jeweiligen Unternehmen schlecht geht. Angenommen ein Sanierungsfall (Nennen wir in Orbitx), bekommt nur noch Kredit zu sehr hohen Zinsen (15%) von den Banken oder keinen Kredit mehr weil die Ausfallswahrscheinlichkeit sehr hoch ist. Dieses Unternehmen könnte den Kunden in den Filialen Orbitx-Einlage mit 10% Verzinsung (z.B. Endfällig) anbieten. Ein tolles Geschäft, 8% mehr als bei meiner Bank. Kein normaler Kunde könnte die Bilanz von Orbitx interpretieren und verstehen, dass die 10% angesichts des Ausfallsrisikos viel zu wenig sind. Missbrauch würde Tür und Tor geöffnet werden.

Was spricht für die Position der Unternehmen/NGOs?

  • Das wesentliche Argument ist, dass es jedem Bürger und jedem Unternehmer freistellen soll, wie und für was das eigene Geld verwendet wird bzw. wie er sich finanziert. Auch der Transparenz (Mittelbarkeit zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber) würde es gut tun.
  • Wenn Bankkredite nicht vergeben werden, braucht die Unternehmerin schlicht eine andere Quelle. Dieses Argument könnte mit Basel III und den aufgrund des steigenden Eigenkapitalbedarfs zu erwartenden Bilanzverkürzungen (Kreditverknappung) der Banken an Bedeutung gewinnen.
  • Die von der FMA vorgeschlagene Regelung (z.B. bei der NGO Jugend eine Welt), alle Kreditverträge mit Privaten umzustellen, damit diese Nachrangig (gegenüber Institutionellen Investoren) gestellt werden passt nicht zur Schutzfunktion der Einleger, sondern bewirkt das Gegenteil. 

Was ist uns wichtiger, der Schutz (Sicherheit) oder ökonomische Freiheit? Ich hoffe sehr und nehme an, dass es sich bei dem Gesetz nicht um eine bewusste Markteintrittsbarriere zum Schutz der Banken handelt. Aus einer ökonomischen Perspektive (Aufgaben einer Bank) handelt es sich zu 50% um Bankfunktionen. Es kommt zu keiner Fristen- oder Risikotransformation, jedoch doch irgendwie zur Losgrößentransformation und die Probleme rund um die Informationsasymmetrien (Monitoring des Kreditnehmers) sind nicht gelöst. Ich argumentiere ja meist für weniger Regulation, in diesem Fall bin ich aber noch unentschieden. Je stärker die Kreditverknappung jedoch wird, desto wichtiger werden Alternativen. Wie sieht Ihr den Weg? Direkte Kreditfinanzierung wirlich frei geben? Oder doch einen Mittelweg wie die Prospektanforderungen/-kosten für Anleihen verringern? Genossenschaftsgründungen erleichtern (Modell Deutschland)?